Hände

hände von dana berg


Es sind Hände, mit denen ich Wasser schöpfe. Hände lege ich auf die Haut der Liebsten. Hände halten die Gitarre, die ich spiele. Hände cremen die Wangen meiner Kinder im Winter. Hände umfassen den Hammer, mit dem ich einen Nagel in die Wand schlage, an den ich ein Bild hänge, das mich glücklich zeigt. Mit Händen wische ich den Schaum von meinem Mund. Die Hände sind wichtig.


Diese Hände werden zum Feind.


Aus jeder Situation, in der ich mich befinde und der ich mir meiner Hände bewusst bin, verschwindet nach wenigen Sekunden das notwendige Wissen, das Wissen davon, was Hände anrichten. Sie fügen mir Schaden zu. Mein Gesicht lockt die Hände zu sich. Es führt die Hände zum Kratzen an die Wange, zum Fremdkörper in den Augen, zum Jucken an die Schläfe, zum Kakaofleck oberhalb der Lippe. Mein Gesicht führt die Hand zum Nasenflügel. Dort reibt sie, wenn ich lüge, zupft am Ohrläppchen, glättet meine Augenbrauen. Sie schützt mich vor Sonnenlicht, sie stützt mich bei Müdigkeit, so viel hat meine Hand im Gesicht zu erledigen.


Mein Gesicht fordert, die Hand folgt. Bestenfalls bin ich stiller Beobachter der beiden, ein geduldiger Beisitzer. Selbst wenn mir das Verhältnis der beiden bewusst wird, wenn ich mich erinnere, welche Verwüstungen die Hand in meinem Gesicht und damit in mir anrichten kann, vergeht dieses Bewusstsein, löst sich auf im Fluss der Situation. Ich werde abgelenkt durch Worte, Beobachtungen, Gefühltes. Die Verbindung Hand-Gesicht entkommt mir, mogelt sich durch, schummelt sich an Pandemiewissen, Prävention und Maske vorbei. Die Hand fasst ins Gesicht, ob ich es will oder nicht.


Dieses Fassen wäre nicht schlimm, wenn die Hand nur ins Gesicht fassen würde. Doch die Hand fasst an den Rolltreppenlauf, fasst an den Haltegriff im Bus, fasst auf die Klinke der Tür, greift nach dem Warentrenner am Supermarktband. Die Hand ist dort, wo andere Hände waren und die anderen Hände waren in Gesichtern, in Schweiß und Blut waren sie, in Tränenkanälen haben sie gewühlt, in Sekreten war die Hand und in Schmierinfektionsorten, und war die Hand nicht getaucht in Desinfektionssuppen, dann legt diese Hand das Virus an und so, wie sie es trägt, führt das Gesicht das Virus zu sich. Ich atme es ein, ich lecke es von meinen Lippen, ich schmiere es in mich hinein, die Monogamie Hand/Gesicht ist in der Pandemie eine potentiell verhängnisvolle Polyamorie, Hand/Gesicht/Virus.


(sp)